Selbstständig als Coach oder Berater: 7 Storys aus der Praxis
Eine Interview-Reihe mit Coaches und Beratern
„Die Anzahl der menschlichen Probleme ist endlich.» Bei dieser Aussage mußte ich wirklich schmunzeln. Letztes Jahr sprach ich mit vielen erfahrenen Coaches im Rahmen eines Telefon-Interviews und erfuhr viele tiefe Einblicke in deren Ziele, Motivationen und größten Herausforderungen.
Folgende Coaches waren meine Interview-Gäste:
- Miike Keppler
Miike ist ein echter Tausendsassa. Er kam über die Liebe zur Musik zum Coaching und leitete jahrelang die CGF-Akademie, die sich auf die Erwachsenenbildung spezialisiert hat. Miike ist freiberuflicher Coach und Trainer für die Team- und Organisationsentwicklung.
- Kristin Koschani-Bongers
Kristin bietet Coaching und Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung. Sie wendet sich an Führungskräfte und Mitarbeiter. Diesen hilft sie beim souveränen Auftreten. Sie berät von der Kleidung bis hin zur Körpersprache.
- Ulrike Krabisch
Ulrike ist seit fast 20 Jahren systemische Therapeutin. Sie bietet u.a. Aufstellungsarbeit an und hilft so, Blockaden zu lösen und Potentiale zu entdecken. Ulrike kennt das Gefühl, im Hamsterrad zu sein: als Unternehmensberaterin und Change Managerin war sie in in internationalen Konzernen tätig.
- Heike Müller
Heike ist Vertriebstrainerin für Bäckereien. Ihr Business hat sie mittlerweile seit über 20 Jahren und hat in dieser Zeit großen Handwerks-Bäckereien zu mehr Wachstum und Umsatz geführt. Sie sagt selbst von sich, dass es ihr um die Kommunikation mit Menschen geht und sie immer etwas für andere tun will. Sie ist ein kreativer Kopf und liebt ihre Freiheiten.
- Susanne Niermann
Auch Susanne hat sich klar positioniert. Sie kommt aus dem Textilbereich und ist Typ-und Imageberaterin mit Leidenschaft. Sie hat früh ihre Freude an Farben und Schnitten entdeckt. Sie sagt: „Es passieren immer wieder tolle Sachen, weil jemand seine Unsicherheit ablegt. Kleider machen nur Leute, wenn man dazu bereit ist.“
- Nicolas Robert
„Nachhaltig erfolgreich verkaufen mit System“. Das hat sich Nicolas als Consultant auf die Fahnen geschrieben. Angefangen hat alles mit seiner Liebe zu Autos.
- Karin Seven
Karin ist gelernte Schauspielerin und seit über 30 Jahren als Performance-Coach für Führungskräfte tätig. Darüber hinaus ist sie Synchronsprecherin, Autorin und Vortrags-Rednerin. Sie sagt: „Ich bin die, die Verletzlichkeit als Stärke sichtbar macht.“. So begleitet sie Menschen zu mehr Gelassenheit, mehr Selbstbewußtsein und mehr Wirkung. Sie vermittelt dabei ihre Werte von absoluter Selbstbestimmtheit, Freiheit und Kreativität.
Zu den Fragen:
1. Warum hast Du Dich selbständig gemacht?
Heike ist gelernte Einzelhandelskauffrau im Textilbereich. Sie hat zur Wendezeit mehrere Filialen mit aufgebaut. Ein wichtiger Meilenstein war der Job als Verkaufstrainerin bei Tchibo, wo sie für deren Bäckereien verantwortlich war.
Nach der Schwangerschaft hat sie keine Teilzeit-Stelle bekommen und sich dann dazu entschlossen, sich selbstständig zu machen.
Auch Karin hatte eine ähnliche Thematik. nachdem sie Kinder bekommen hat. Es wurde es schwieriger, in Theatern zu spielen. So entschloß sie sich, an Unis und Schauspielschulen zu unterrichten. Dadurch wurde ein Coaching-Unternehmen auf sie aufmerksam. Anfangs war sie skeptisch – dank der Offenheit und dem großen Willen, mit ihr neue Ideen umsetzen zu wollen, war sie aber schnell überzeugt.
Nicolas wollte früh sein eigener Herr sein, schon sein Vater hatte ein eigenes Unternehmen, das war ein Vorbild für ihn. Er arbeitete lange als Account Manager im Unternehmen und hatte dort viele Freiheiten. Die Firma wuchs schnell und so wurde sein Entscheidungsfeld immer kleiner.
Ihm ist es wichtig, dass seine Kunden einen maximalen Nutzen aus der Geschäftsbeziehung ziehen können. 2018 konnte er seine Vertriebsziele nicht erreichen – das war der Anlass, seine Herangehensweise zu überdenken. Der Erfolg stellte sich dann schnell ein. So entschied er sich, 2019 selbst zu gründen, um diese Erfolgsstrategie anderen beizubringen.
2010 war bei Susanne das Jahr der großen Veränderungen, sowohl beruflich als auch persönlich. Sie schwor sich, nie wieder «9 to 5» zu arbeiten. Sie reizte nach eigener Aussage „nicht nur das Hochmodische, sondern auch das Stilvolle.“. Nach einer Ausbildung war es dann soweit, sie entschloß sich, sich als Beraterin selbstständig zu machen.
Ulrike war Change Managerin bei einem großen Konzern. So baute sie sich ein gutes Netzwerk mit Unternehmensberatern auf. Nach dem zweiten Burnout war dann Schluß damit.
Sie wollte nicht mehr «als kleines Rädchen fungieren». Ulrike sagt: «Mit 40 Jahren gehört man heute zum Sperrmüll». Noch während der Burnout-Phase hat sie die Fühler ausgestreckt und erste Aufträge erhalten.
Ein Sternekoch hat Kristin auf ihre Gründungsidee gebracht – abends beim Rotwein. Daraus entstand ein Seminar-Konzept, was sie über das Manager Magazin beworben hat. Sie sagt, sie hatte damals einfach Glück. So hatte Kristin sofort große Firmen, Banken, alles querbeet als Zielgruppe gehabt.
Miike hatte 25 Jahre lang einen Proberaum im Keller und später ein Tonstudio. Es entwickelte sich zu einer Art Mini-Kulturzentrum. Er organisierte dort Kultur-Events im politischen Kontext. Die Erwachsenenbildungsarbeit hat sich für ihn durch seine Aktivität für politische Organisationen und Gewerkschaften ergeben, so dass er zum kulturellen Coaching kam.
2. Was waren/ sind Deine Ziele?
Für Heike sind eine bessere Atmosphäre, mehr Wertschätzung für Mitarbeiter und eine Wohlfühl-Atmosphäre bei der Zusammenarbeit wichtig. Sie sagt, dass sie sich nicht jeden Tag ihre Ziele notiert, sondern dass diese eher kreativ und intuitiv entstehen. Aktuell beschäftigt sie sich mit Atemübungen und möchte, dass ihre Klienten ihre Vielfältigkeit entdecken.
Karin sagt: «Ich lade das Leben ein, mich an die Hand zu nehmen». Auf der anderen Seite weiß sie genau, was sie will. Karin hat Spaß daran, in neue Rollen einzutauchen. Für sie ist der Weg das Ziel: Sie geht erst einmal in eine Richtung und geht den Dingen nach, wenn etwas Positives passiert.
Nicolas kennt das Vertriebsleben aus dem FF. Dort war er gewohnt, in Umsatz, Kundenkontakten usw. zu denken. Es ist für ihn rausgeschmissenes Geld, wenn er zwar Kunden gebrieft hat, die aber nicht in die Umsetzung gekommen sind. Das ist nicht was er will. Denn es gibt keine Verbesserung für die Kunden, davon hat er nur Geld. Ihm ist es aber wichtig, sich und seine Kunden glücklich zu machen. Glück definiert er so, dass er mit einem ruhigen Gewissen ins Bett gehen kann, mit dem Gefühl, die Welt ein Stück weit besser gemacht zu haben.
«Ich hatte am Anfang keine Ziele», sagt Susanne. Sie wollte nur Leute beraten und hatte keine Ahnung von Zahlen. Heute weiß sie, dass es ohne Ziele auch nicht geht. «Die tun ganz gut.» Aktuell ist es ihr Ziel, weniger zu arbeiten und trotzdem den Umsatz zu steigern. Sie möchte bei ihrem Angebot mehr den Fokus darauf legen, dass ihre Kunden in ihre Mitte kommen und das auszustrahlen, was in ihnen ist.
Ulrike sagt, dass sie gelernt hat, Prozesse zu etablieren und deren Schwachstellen zu erkennen. Ihr Ziel ist es, Unternehmen zu unterstützen und dabei selbst Mensch zu bleiben, die eigenen Werte auch bei der Arbeit zu leben.
Kristin definiert ihr Ziel so: «Liebe Menschen unterstützen und sie einen Teil des Weges begleiten dürfen. Das ist spannend, da ich so viele verschiedene Zielgruppen habe.»
«Die Anzahl der menschlichen Probleme ist endlich.», gibt Miike zu verstehen. Sein Prinzip ist: «Bewegung erzeugt Wachstum», nach Jakob Moreno – Begründer des Psychodramas. Sein Antrieb ist die Liebe zu seinen Kunden. Er hat mittlerweile die Geschäftsleitung der cgf-Akademie abgegeben und widmet sich neuen Unternehmensgründungen.
3. Wie werden Deine Klienten auf Dich aufmerksam?
Heike startete am Anfang ihrer Selbständigkeit mit einem Rundbrief an alle großen Bäckereien. Das klappte zwar nicht, aber so kam der Kontakt zur Innung zustande, die sie dann unterstützte. So fand sie ihre ersten Kunden.
Später hat sie dann mit ihren Kindern Testkäufe in Bäckereien durchgeführt, das jeweilige Verkaufsgespräch analysiert und dann mit dem Geschäftsführer gesprochen. Ihre Auftragsbücher sind voll und sie ist sehr zufrieden. Sie sagt, es ist besser, weniger Kontakte zu haben, diese aber dann zu pflegen.
Karin findet ihre Kunden über Empfehlungen und feste Kooperationen. Sie sagt, sie ist manchmal selbst erstaunt, wie die Klienten auf sie aufmerksam werden. Sie mag es nicht, stundenlang auf ihr Handy oder Tablet zu schauen und ist lieber analog unterwegs. Seit kurzem nutzt sie auch LinkedIn zur Akquise.
Nicolas ist im BNI-Unternehmensnetzwerk aktiv. Als zweites Standbein für seine Akquise hilft ihm ein Dienstleister im Bereich Linkedin-Marketing. Dort spricht er gezielt Kontakte an.
Am Anfang war für Susanne die Akquisse eine totale Herausforderung. Sie dachte – typisch Frau – «ich weiß noch nicht genug, ich muss noch mehr lernen».
Sie räumt ein, dass es ganz lange gedauert hat, bis sie genügend Selbstvertrauen hatte. Heute hat sie viel Zulauf über Pinterest und ihren Blog. Die Leute haben dadurch das Gefühl, nah an ihr dran zu sein. Susanne ist auf vielen sozialen Medien unterwegs und macht auch noch Network-Marketing.
Die meisten Kunden gewinnt Ulrike über Empfehlungen. Zudem hat sie ein Profil auf vielen Freelancer- und Trainer-Plattformen, worüber sie etwa 30% ihrer Kunden gewinnt.
Auch bei Kristin läuft fast alles über Empfehlungen. Sie sagt, dass «dieses Aufquatschen bei der Kaltakquise» nicht ihres ist. Kristin hat auch einen Youtube-Kanal und einen Podcast, sagt aber, dass sie dafür aktuell leider zu wenig Zeit hat.
Miike sagt, dass er gar keine neuen Aufträge annehmen kann, so ausgefüllt ist er. Daher will er gar nichts an seiner Akquise optimieren. Er könnte skalieren und andere für sich arbeiten lassen, aber das möchte er nicht.
4. Welche Rolle spielt Deine Webseite für Dein Business?
«Keine große», sagt Nicolas. Das ist für ihn eine Visitenkarte im Web, mehr nicht. Er bekommt keine einzige Anfrage über seine Webseite.
Susanne hat einen erfolgreichen Blog. Diesen gibt es bereits seit 2015. Sie hatte Sorge gehabt, dass sie ihre Business-Kunden durch den Blog verliert. Nun weiß sie, dass das quatsch ist. Susanne betreibt mit women2style.de und diestilmacher.de zwei Webseiten, die Zielgruppe ist bei beiden Seiten dieselbe und sie hat auch schon versucht, die beiden mehr miteinander zu verzahnen. Allerdings kommen Anfragen von Verbänden, Versicherungen usw. alle über die Stilmacher-Seite. «Weil sie anders gucken bei Google. Die würden sich von der Women2Style-Seite nicht angesprochen fühlen.»
Ulrike sagt, sie hat eine Webseite, «weil jeder eine hat». Aktuell hat sie keine Motivation etwas daran zu ändern, sie fühlt sich gut aufgestellt. Dort alles reinzustecken, wäre Ressourcenverschwendung, sie bezeichnet ihre Seite allerdings eher als Baustelle.
Miike hat seit 1992 eine Webseite. Er sagt, es fiel ihm relativ leicht in Corona-Zeiten, die Ausbildung auf online umzustellen. Er macht Online-Kommunikation seit es Skype gibt. So kannte er auch Zoom, lange bevor es groß wurde.
5. Was ist Deine größte Herausforderung?
Für Heike war die Corona-Zeit sehr schwierig. Sie sagt, dass für sie die Online-Coachings doppelt so anstrengend sind wie die Coachings vor Ort. Auch bei Karin geht es in eine ähnliche Richtung: «Meine Herausforderung ist es, eine Mischung zwischen analog und digital zu finden, was biete ich wo an.» Weitere Themen beziehen sich auf die richtige Technik – sie möchte ihre Ausrüstung nach- und nach verbessern.
Nicolas möchte die ersten eigenen Mitarbeiter einstellen und den Kundenstamm stabilisieren. Er hat viel Respekt davor, den ersten Mitarbeiter einzustellen. Sein Unternehmen soll «ein Gewächshaus sein, wo neue Mitarbeiter wie junge Pflanzen genau die Nährstoffe kriegen, die sie brauchen».
Susanne sieht ihr größtes Problem darin, den Fokus zu halten, um sich nicht in allen Dingen zu verlieren. Ähnlich geht es es Ulrike. Sie sagt, sie sei ein absoluter Chaot. «Ich bin lieber beim Kunden als Büroarbeit zu machen. Hierzu muss ich mich manchmal zwingen, denn ohne geht es leider nicht.»
Kristin möchte ihre Online-Seminare spannender gestalten, mit mehr Interaktion. Sie hat von vielen gehört, dass Seminare und Vorlesungen ganz schrecklich langweilig waren, «weil die Leute nur 1:1 den Präsens-Kram online gemacht haben», ohne es an den anderen Modus anzupassen.
Miike sagt, er könnte doppelt so viel arbeiten. Es geht also bei ihm um die sinnvolle Aufteilung der Kapazitäten.
6. Welche Quellen nutzt Du, um Dich zu informieren und weiterzubilden?
Heike nutzt gerne Weiterbildungen über Verbände und ist auf Messen. Sie empfiehlt das Buch «Die Fragen, die du dir selber noch nicht gestellt hast». Ähnlich ist es bei Kristin, sie nutzt gerne den Etikette-Trainerverband und dessen Weiterbildungsangebote. Ansonsten liest sie gerne «Psychologie heute».
Karin schaut gezielt Videos und ist auf Netzwerk-Events und bei Vorträgen.
Nicolas sagt: «Wenn es sich um ein bestimmtes Thema handelt, wo ich gefühlt 50% verstehe, lese ich mich ein.» Wenn es ganz neu ist, ruft er befreundete Unternehmer an und fragt diese einfach: «Kennst Du Dich aus? Nein? Ok, kennst Du jemanden, der das weiß?».
Ulrike ist viel im Auto unterwegs. Sie hört gerne auf der Fahrt Podcasts und Hörbücher.
7. Was motiviert Dich, am Ball zu bleiben?
«Die Liebe zum Beruf», sagt Karin. Sie macht es solange sie merkt, dass es draussen Menschen gibt, die sich für das was sie macht interessieren. Die eigene Weiterbildung hält sie fit.
Nicolas wird fast philosophisch: Die Motivation steckt in seiner Vision. Er stellt sich die Welt so vor, dass Geschäftsbeziehungen auf einer respektvollen Basis verlaufen und Kunden nicht mehr fürchten müssen, immer wieder über den Tisch gezogen zu werden.
Susanne ist durch jeden Kunden motiviert, der am Ende glücklich ist und dies erzählt. Dazu kommen positive Kommentare auf Blogposts.
«Ich freue mich ein Loch ins Knie», wenn die Leute erfolgreich sind, sagt Ulrike. «Es macht mir einfach Spaß, Menschen weiterzuhelfen.»